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Kryptographie

3.4 Polyalphabetische Chiffrierungen

Bei den sog. polyalphabetischen Chiffrierungen wird derselbe Klartextbuchstabe nicht stets mit demselben Geheimtextbuchstaben verschlüsselt. Bei dieser Technik kommen mehrere monoalphabetische Chiffrierungen zum Einsatz (poly [gr.] = viele). In diesem Kapitel werden wir sog. homophone Chiffren, welche die Buchstabenhäufigkeiten verschleiert, und die wichtigste polyalphabetische Chiffrierung, die Vigenère-Chiffre, kennen lernen.

Homophone Chiffren

(Für eine Kurzzusammenfassung siehe auch den Eintrag im Mini-Lexikon.)

Der entscheidende Nachteil bei monoalphabetischen Chiffren ist, wie wir eben gesehen haben, die leidige Tatsache, dass Buchstabenhäufigkeiten nicht verborgen werden. So wird die Kryptoanalyse kinderleicht. Wie kann man nun erreichen, dass eben diese Häufigkeiten verborgen werden, so dass alle Geheimtextzeichen mit der gleichen Wahrscheinlichkeit auftreten? Nun, wir ordnen einem Klartextbuchstaben einfach nicht nur ein, sondern mehrere Geheimtextzeicnen zu! Die Anzahl der Geheimtextzeichen sollte dabei der allgemeinen Häufigkeit des Klartextbuchstabens entsprechen. Das bedeutet, dass z. B. das e (Häufigkeit: ca. 17%) 17 Geheimtextzeichen von 100 Paaren 00 bis 99 zugewiesen bekäme. Ein Beispiel hierfür gestaltete sich wie folgt:

a:  10 21 52 59 71
b:  20 34
c:  28 06 80
d:  04 19 70 81 87
e:  09 18 33 38 40 42 53 54 55 60 66 75 85 86 92 93 99
f:  00 41
g:  08 12 97
h:  07 24 47 89
i:  14 39 46 50 65 76 88 94
j:  57
k:  23
l:  16 03 84
m:  27 11 49
n:  30 35 43 62 63 67 68 72 77 79
o:  02 05 82
p:  31
q:  25
r:  17 36 51 69 74 78 83
s:  15 26 45 56 61 73 96
t:  13 32 90 91 95 98
u:  29 01 58
v:  37
w:  22
x:  44
y:  48
z:  64

aus: Albrecht Beutelspacher, Kryptologie

Um eine Nachricht zu chiffrieren, ordnet man jedem Klartextbuchstaben ein zufällig gewähltes Zeichen aus der Menge der möglichen Geheimtextzeichen für diesen Buchstaben zu. Da nun jeder Buchstabe mit etwa der gleichen Häufigkeit auftritt, wird die Kryptoanalyse mit "herkömmlichen" Methoden nun viel schwieriger. Allerdings ist auch bei dieser Chiffre eine Kryptoanalyse möglich: Zwar werden die Häufigkeiten einzelner Buchstaben verschleiert, Buchstabengruppen wie st, sch, ck bleiben jedoch erhalten. Ein Kryptoanalytiker kann den Geheimtext z. B. daraufhin analysieren, welche Geheimtextzeichen ganz bestimmte Nachfolger oder Vorgänger haben; z. B. das c mit Nachfolgern wie h und k, oder das e mit Nachfolger oder Vorgänger i (ei, ie). Diese Methoden sind natürlich noch keine richtige Kryptoanalyse, aber zeigen die Ansätze, wie ein Kryptoanalytiker an einen solchen Text herangehen kann.

Die Vigenère-Chiffre

Diese Chiffrierung stammt vom Franzosen Blaise de Vigenère und wurde 1586 veröffentlicht. Um mit dem Vigenère-Algorithmus chiffrieren zu können, benötigt man (a) ein Schlüsselwort und (b) das Vigenère-Quadrat (hier gibt's noch eine Version mit "authentischem Flair"):

A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z A
C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z A B
D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z A B C
E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z A B C D
F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z A B C D E
G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z A B C D E F
H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z A B C D E F G
I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z A B C D E F G H
J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z A B C D E F G H I
K L M N O P Q R S T U V W X Y Z A B C D E F G H I J
L M N O P Q R S T U V W X Y Z A B C D E F G H I J K
M N O P Q R S T U V W X Y Z A B C D E F G H I J K L
N O P Q R S T U V W X Y Z A B C D E F G H I J K L M
O P Q R S T U V W X Y Z A B C D E F G H I J K L M N
P Q R S T U V W X Y Z A B C D E F G H I J K L M N O
Q R S T U V W X Y Z A B C D E F G H I J K L M N O P
R S T U V W X Y Z A B C D E F G H I J K L M N O P Q
S T U V W X Y Z A B C D E F G H I J K L M N O P Q R
T U V W X Y Z A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S
U V W X Y Z A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T
V W X Y Z A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U
W X Y Z A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V
X Y Z A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W
Y Z A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X
Z A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y

Das Quadrat besteht aus 26 Alphabeten, wobei die erste Zeile das um 0 Stellen verschobene Alphabet darstellt, die zweite das um 1 Stelle verschobene und die letzte das um 25 Stellen verschobene Alphabet. Das Schlüsselwort kann eine beliebige Buchstabenfolge sein, z. B. das Wort KRYPTO. Wir schreiben nun dieses Schlüsselwort unter den Klartext und wiederholen es, wenn nötig:

Klartext:      p o l y a l p h a b e t i s c h
Schlüsselwort: K R Y P T O K R Y P T O K R Y P

Der Schlüsselbuchstabe, der unter einem Klartextbuchstaben steht, bestimmt das Alphabet. Um den ersten Geheimtextbuchstaben zu erhalten, sehen wir nach, was in der Zeile K (d. h. die Zeile, die mit K anfängt) und in der Spalte p steht – es ist das Z. Allgemein ausgedrückt: Um einen Klartextbuchstaben p mit dem Schlüsselbuchstaben k zu verschlüsseln, sieht man im Vigenère-Quadrat nach, was in der Zeile k und in der Spalte p steht. Das ist der Geheimtext-Buchstabe. Insgesamt ergibt sich bei uns also:

Klartext:      p o l y a l p h a b e t i s c h
Schlüsselwort: K R Y P T O K R Y P T O K R Y P
Geheimtext:    Z F J N T Z Z Y Y Q X H S J A W

Um den Geheimtext wieder zu entschlüsseln, suchen wir in der Zeile k nach dem Geheimtextbuchstaben c. Nun schauen wir, in welcher Spalte dieses c steht. Dies ist der Klartextbuchstabe. Die Häufigkeit der Buchstaben ist jetzt viel gleichmäßiger verteilt: Die beiden Buchstaben a im Klartext werden zu unterschiedlichen Geheimtextbuchstaben verschlüsselt (nämlich T und Y).

Kryptoanalyse

Obwohl die Vigenère-Chiffrierung erheblich sicherer gegenüber den anderen bereits besprochenen Chiffren ist, ist auch dieses Verfahren mit heutigen Methoden zu knacken. Der Geheimtext weist immer noch bestimmte Muster auf, die es oft ermöglichen, das Schlüsselwort zu erschließen. Die Tests von Kasiski und Friedman können die Länge des Schlüsselwortes bestimmen. Ist die Länge erst einmal bekannt, ist es nicht mehr schwer, das gesamte Wort zu bestimmen. Dies gilt nicht, wenn der Schlüssel lang genug ist (exakt genauso lang wie der Klartext) und einige weitere Eigenschaften erfüllt (dann nämlich würde es sich um ein sog. One-Time-Pad handeln). Mehr darüber im nächsten Kapitel.